Northaway: Mit Ski und Zelt durch Norwegens größtes Eismeer
Northaway: Mit Ski und Zelt durch Norwegens größtes Eismeer
Der Jostedalsbreen in Norwegen ist der größte Innlandsgletscher in Europa. 500 Quadratkilometer Eismassen erstrecken sich zwischen den Fjorden in Richtung Meer und Festland.
Wir sind zwei Alpinistinnen und leidenschaftliche Skifahrerinnen, Hanna und Hannah. Im April dieses Jahrs sind wir zu einer 7-tägigen Skidurchquerung über genau dieses Gletschermassiv aufgebrochen. Für die Reise wollten wir auf Flugzeug und Auto verzichten und haben uns somit entschieden unseren Weg in den Norden mittels Zug und Bus zu bestreiten. Möglichst unabhängig, mit allem was wir für die Zeit auf dem gigantischen Gletscherplateau brauchen in unserem Rucksack mit Zelt auf dem Rücken und einem Paar Ski unter den Füßen. Wir wollen euch einen Einblick in unsere Tour mit den wichtigsten Infos die dazu gehören geben und wie sich die Anreise mit Zug und Bahn bis nach Norwegen eigentlich doch ganz angenehm gestalten lässt.
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Reisen mit den Öffis
Für die Anfahrt mit den Öffentlichen Verkehrsmitteln brauch es ein bisschen Organisation und Gelassenheit, vor Allem, im Einzugsgebiet der DB. Wir hatten einen Interrail Global Pass und haben die Reise von Innsbruck aus dann mit der Rail Planner App geplant. Hier kann man auch sehen, welche Züge zusätzlich reserviert werden müssen. Falls ihr eine so lange Reise plant können wir euch einen Nachtzug mit Schlafabteil sehr empfehlen. Man zahlt zwar ein bisschen was, aber kann dafür auch die ganze Nacht durchschlafen und gut erholt am nächsten Tag weiterreisen.
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Unsere Reise nach Oslo hat 25 Stunden gedauert. Unsere Strecke: Innsbruck – Hamburg – Hassleholm - Alvesta – Göteborg – Oslo, dort aus sind wir in 7 Stunden mit dem VY Bus bis nach Erdal gefahren, wo wir die Durchquerung gestartet haben.
Zurück ging es von Skeide Bruh nach Oslo. Wieder mit dem VY Bus, der wohlgemerkt auch vorher reserviert werden muss, sonst hält der Bus nicht an den kleinen Haltestellen mitten im Nirgendwo. Von Oslo zurück nach Innsbruck über Göteborg, Lund, Kopenhagen, Hamburg und Kufstein ging die Fahrt etwas schneller, in 20 Stunden waren wir wieder an unserem Startpunkt.
Der Jostedalsbreen – wie könnt ihr euch vorbereiten?
Die vielen Gletscherzungen des Jostedalsbreens erstrecken sich wie die Arme eines riesigen Kraken in alle Himmelsrichtungen und münden in tiefe Täler. Auch der Jostedalsbreen ist von der globalen Erwärmung betroffen und nimmt von Jahr zu Jahr an Masse ab. Seit 1966 sind bereits über 8% geschmolzen. Für seine steilen Abfahrten ist er sicher nicht bekannt aber wer auf der Suche nach einem einzigartigen landschaftlichen Erlebnis ist und sich auch an Weite und Einsamkeit freuen kann, der ist hier richtig.
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Die Schlüsselstellen unsere Durchquerung waren sicher die mit enormen Spalten durchzogenen Gletscherbrüche die wir überschreiten mussten um auf das riesige Plateau zu gelangen. Für ein besseres Beurteilen der Spaltenzonen und das Finden eines bestmöglichen Wegs hindurch haben wir uns die Gletscher auf Google Earth angeschaut. Zur Navigation nutzten wir die Topokarte der Alpenverein Aktiv App und ein In Reach was wir dabeihatten.
Eine weitere Planungsschwierigkeit war das Wetter. Mit einer Mischung aus Meteoblue, dem norwegischen Wetterbericht YR und unserer Wetterfee Marie (Meteorologie Studentin aus Innsbruck) probierten wir das Wetter zu beurteilen. Und scheiterten trotzdem, am zweiten und dritten Tag mussten wir einen Sturm mit Böen von über 100km/h aussitzen. Bei solchen Bedingungen wollten wir es nicht riskieren die Spaltenzonen zu überqueren. Wir warteten in einer mit zwei Betten ausgestatteten Biwakschachtel und waren dem Hüttenbuch nach zu urteilen nicht die ersten mit diesem Schicksal. Andere mussten sogar ihre Tour abbrechen, wir zum Glück nicht. Kalt war es nicht wirklich, da das Plateau ca. auf 2000m liegt, nur der Wind konnte wirklich eisig sein.
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Tageslicht ist auf jeden Fall nicht der die Strecke limitierende Faktor. Von 4 uhr morgens bis 11 Uhr Abends ist es hell, wir mussten fast aufpassen, dass wir unsere Energiereserven nicht zu sehr aufbrauchen, da wir nie durch die Dunkelheit zum Lager aufschlagen gezwungen wurden.
Unsere Route
Um zum Gletscherplateau des Jostedalsbreen zu kommen gibt es verschiedene Zugänge wir haben uns entschieden nördlich des Jostedalsbreens über den Erdalsbreen, eine der Gletscherzungen zu starten. Der Sturm, der uns die ersten zwei Tage überrascht hat, hat uns gezwungen in der Infimushütte, einer kleinen Biwakschachtel am Fuß des Gletschers zu übernachten und abzuwarten ob das Wetter besser wird. Über den Erdalsbreen, der sich gut passieren ließ, ging es nach dem nächsten Warten im Whiteout über den Lodalsbreen durch die letzte Spaltenzone auf Småttene auf das gigantische Plateau. Wir entschieden uns noch den Brenibba, unseren ersten Gipfel mitzunehmen und bauen unser Lager darunter auf.
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An Tag 2 auf dem Gletscher konnten wir ziemlich geradlinig nach Süden laufen. Wir bestiegen die Kjenndalskruna über einen Felsdurchsetzten Grat, wobei Steigeisen hilfreich aber nicht unverzichtbar waren. Einen weiteren Gipfel, den Kvittekoll, im Gepäck fahren wir auf dessen Felsdurchsetzter Südseite ab und graben uns ein tiefes Loch damit unser dünnes Bikepackingzelt nicht vom Wind zerfetzt wird.
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Am nächsten Morgen hängen die Wolken wieder um unser Zelt herum und wir beschließen, den Gletscher zu verlassen um den tiefen, dichten Wolken die für den nächsten Tag angesagt waren nicht beim Passieren der Spaltenzonen ausgesetzt zu sein. Über den Gipfel des Ramnane geht es zur Gletscherzunge über die wir abfahren: den Supphellebreen, von diesem auf den Flatbreen. Rechts auf dem Sommerweg kann der wilde Gletscherabbruch des Flatbreen vermieden und durch einen Tobel zwischen extrem steilen Südhängen abgefahren werden. Im letzten Schnee außerhalb der lawinengefährdeten Zone bauten wir unser letztes Lager mit einem wunderschönen Blick auf den Fjaerlandsfjord auf.
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Am nächsten Morgen mit den Ski auf dem Rücken ging es bis nach Skeide zur Bushaltestelle.
Die Route hängen wir euch per GPX Track und in einer animierten Darstellung an.
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Die Natur- zwischen Macht und Magie
Die Reise hat uns wieder mal gezeigt wie klein und ohnmächtig wir in den Bergen sind. Der Sturm und Nebel war unser Lehrer in Geduld und Bescheidenheit, als Lohn für diese zeigte uns die Natur ihre Magie.
Oben auf dem Gletscherplateau 360° um uns herum pure Weite – ein Horizont wie auf dem Meer zwischen weißem Schnee und blauen Himmel. Die Nacht unter dem Kvittekoll war eine besondere. Polarlichter, für mich war das eine ferne, surreale Vorstellung. Hanna hatte schon mal den Anflug welcher gesehen, aber was wir dort sehen durften war wirklich magisch, wir konnten gar nicht mehr aufhören den Himmel zu bestaunen bis uns irgendwann die Zehen eingefroren sind.
7 Tage keiner Menschenseele begegnen, wann kann man das in den Alpen schon mal erleben?
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Was war im Rucksack?
Unsere Rucksäcke haben ca. 20kg gewogen. Bei dem Gewicht auf unseren eher kleinen Rücken war das Tragesystem besonders wichtig. Wir hatten den deuter Expedition 60 SL dabei.
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Das Essen hat Hanna selbst vorbereitet, auch hier wollten wir möglichst nachhaltig bleiben. In Zip-Beutel, die wiederverwendet werden können verpackte Mahlzeiten; gedörrtes Gemüse, Tofu, Tempeh mit Couscous, Kartoffelpüree oder Polenta für abends. Zum Frühstück Babybrei (sehr zu empfehlen!) mit Haferfolcken und selbst gedörrtem Obst. (ca. 2 kg pro Person für 7 Tage).
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Hier eine kleine (nicht ganz vollständige) Packliste:
- Skiausrüstung inkl. Lawinenausrüstung (Schaufel, Sonde, LVS Gerät, Haarscheisen)
- Zelt, Matte, Schlafsack
- Jetboil und genug Gas, Essen
- Kameraequipment (Drohne, Systemkamer, GoPro, Stativ, Akkus), was noch mal ganz schön viel zusätzliches Gewicht war
- Leichtpickel und -steigeisen (haben wir eigentlich nur für das Besteigen der Kjenndalskruna benötigt, für den Lodalskapa auch nötig)
- Stirnlampe
- GPS Gerät (InReach)
- Biwaksack, erste Hilfe